Fett in Japan

Schönen Dank erstmal für all die mir zugeschickten Verse zu “Fett in Japan”; wobei ich leider vor allem gemerkt habe, daß ich das ganze wohl offensichtlich nicht vollständig genug erklärt habe (ist aber auch eigentlich nicht der richtige Platz dafür, so eine Bühne). Sicher ist “Big in Japan” auch eine Art Synonym für “Angeber”, aber es steckt natürlich noch mehr dahinter (vor allem hinter dem Waits-Text). Soll ich’s mal versuchen? “Jaaaahahaaa”, hör ich da einen kleinen Chor. Das reicht, na gut. Danke. Also bei Waits geht das so:

I’ve got the style, but not the grace
I’ve got the clothes, but not the face
I’ve got the bread, but not the butter
I’ve got the winda, but not the shutter

Alleine schon die erste Zeile haut mich um. Was für eine Eröffnung, style ins Verhältnis zu setzen mit grace: Stil, also das, was heute jeder für sich beansprucht, “stylisch” auf neudeutsch, steht auf jeder Haargel-Packung… dagegengesetzt dann das schöne & tiefe Wort grace, das so viele Bedeutungen hat (& daher übrigens auch kaum zu übersetzen ist): von (göttlicher)”Gnade” oder (auch nur prosaisch)”Gunst” bis hin zu “Grazie, Anmut” – also mit anderen Worten das, was nicht jeder MöchteAuchMalGern sich einfach so aneignen kann, da muss schon noch etwas anderes mit dazukommen. Was immer das ist. Bei den Jazzern gibt’s den Spruch “If you ain’t got that swing / it don’t mean a thing!” – Es geht um diesen irgendwie entscheidenden kleinen Unterrschied zwischen (sagen wir) Richtig-gut und Naja-damit-kommt-man-halt-auch-durch. Wird jedenfalls offensichtlich hier & da sehr deutlich wahrgenommen. Vielleicht müssen einige dafür sehr hart arbeiten, während es anderen in die Wiege gelegt wird, was weiss ich. Fest steht nur: genauere Definition kaum möglich. Es entzieht sich Begriffen. Frag mal einen richtigen Jazzer, was damit gemeint ist. Auch der kann’s nicht erklären. Vielleicht würde er sagen:”Na los, spielen wir mal ne Runde, vielleicht wird’s dann klarer.” Und das gibt es nicht nur im Jazz: den Unterschied zwischen style und grace. Wie leicht und elegant. Und tief.

Und nachdem er also diesen schönen & wahren Satz vorrausgeschickt hat, muss selbstverständlich jetzt irgendwas folgen, das ihn – sonst wäre es nicht Waits – von jedem Verdacht auf Schöngeistigkeit wieder wegrückt. Denn auf einer deutlichen Abgrenzung zu allzu feinsinnig klassizistischen oder sonstigen ƒstheten hat man schließlich schon immer bestanden. Das ist beat. Anti-Goethe (was immer Hacks dazu sagt… aber lassen wir das). Also folgt jetzt quasi die Kneipenversion, die zwar dasselbe sagt, nur halt wesentlich grober (& das Aufeinanderprallen dieser beiden Ebenen sorgt auch gleichzeitig für den Witz): clothes und face. Neue Klamotten kann sich jeder besorgen, der Geld hat… dann bleibt er mit bread und butter etwa auf derselben Kalauer-Ebene, obwohl die Zeile – für sich selbst genommen – eigentlich schon kaum noch was aussagt, um mit wind und shutter dann doch wieder die Kurve zu kriegen: der Wind bläst mir durchs Haus, wie er will, denn ich krieg meine Fenster nicht richtig zu (shutter). Es hält nicht stand. Fähnchen im Wind, diese Richtung.

Und so geht das weiter: eigentlich ist der ganze Text eine einzige detailliert/witzig grobe Aneinanderreihung all der Dinge, die den feinen Unterschied zwischen style und grace ausmachen. Mich interessiert dabei ganz besonders, auf welche Weise Herr Waits (oder auch andere) die Details da aneinanderreiht. Manchmal können zum Beispiel 2 Wörter mehr sagen als 13 soziologische Fallstudien über Showbiz-Geschädigte. Wenn er etwa aneinanderreiht: “I’ve got the moon, I’ve got the cheese / and the whole damn nation on it’s knees” – also Mond und Käse im selben Atemzug – dann ist das nicht nur witzig, sondern auch von einer hellsichtig psychologischen Tiefenschärfe: diese Sorte (von Leuten) erinnert offensichtlich der Mond als erstes an ein Stück Käse (woran auch immer man bei diesem Wort so denkt). Gibt es etwas, das weiter entfernt sein könnte von allem, was das Wort Mond im allgemeinen sonst so bedeutet? Und was sagt uns das über diesen Typen? Und ist mit dieser Beschreibung nicht gleich eine ganze Palette von Showbiz-Gestalten erschöpfend behandelt? Seht her, hier ist die Essenz: mehr braucht man eigentlich gar nicht zu wissen. -
Gut, um’s abzukürzen (puhh!): weitere Vorschläge?

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