Oktober

Ich glaub nicht, dass es irgendwen gab, der mit dem Sound purer elektrischer Gitarren so halsbrecherisch umgehen konnte wie Lou Reed (nichtmal Neil Young). Denke hier gerade vor allem an die Phase von “New York, New York”, eine meiner Lieblingsplatten überhaupt, die ich gefühlte 2000 Mal gehört haben muss (plus 1 Konzert), das war nun wirklich sagenhaft, diese verzerrten Reibungen der einfachsten Akkorde (und NUR diesen), auf denen er herumritt wie auf einem wildgewordenen Güterzug oder einer herrenlos dahinrasenden New Yorker U-Bahn, sämtliche roten Ampeln überfahrend und jeden Augenblick in Gefahr, aus den Gleisen zu springen. Tat sie aber nicht, weil Lou Reed stark oder geschickt genug schien, sie so gerade eben noch auf Kurs zu halten, so hört sich das an. Und dann diese stoische Stimme dazu & dieser knapp über die Köpfe der hintersten Zuschauer-Reihe in irgendein Nichts gerichtete Blick, und was er da sagt oder singt, ist überhaupt nicht schön, und es reimt sich auch nicht, sondern ist schlicht nur etwas, das jetzt gefälligst vielleicht mal gesagt gehört, wenn man schon so einer ist, der ab und zu mal wirklich was klar gestellt haben möchte bzw. einer entsprechenden Sprache & Geste fähig (zu welchen Sujets auch immer, und derer  gab es EINIGE). Und dann glaubt man ihm auch “You gotta fly fly away on that dirty Boulevard.” – Glaubt es nicht nur, sondern ist sogar heilfroh, dass einer wie er sich zu solchen Zeilen aufraffen konnte. Und ist ihm sehr dankbar dafür.
Letztes Jahr um dieselbe Zeit Nils Koppruch (der sein ganzes Leben lang nun wirklich NICHTS falsch gemacht hatte) und jetzt Lou Reed: reicht das jetzt vielleicht mal wieder für ne Weile?

Ein Gedanke zu “Oktober

  1. …mir pocht es gerade erneut durch sämtliche Poren und vor allem durchs Herz, als ich hier noch mal diese treffenden Zeilen zu Lou Reed aus dem letzten Jahr lese, jetzt, wo ich mir vor kurzem den Konzertmitschnitt aus Montreux von Lou Reed zugelegt hab und nur da saß und es nicht fassen konnte, daß er einfach nicht mehr ist. Spüre wieder, wie mir die Regentropfen im Sommer 2012 in Bonn auf den Rheinwiesen entgegenlachten, weil auch sie wissen mußten, welch toller Abend bevorstand mit einem Lou Reed da auf der OpenAirBühne, und die sich auch wie ich etwas darüber wunderten, daß man am Eingang “gewarnt” wurde vor eingespielten Rückkopplungen zu Beginn des Konzerts. Mir ging einfach nur das Herz auf, als der alte Mann in seeliger Ruhe zunmächst an seiner Akustikgitarre in diesen krassen musikalischen Wahnsinn hinein zupfte, um dann wie gewohnt elektische Saiten anzuschlagen, wie man sie so von niemand sonst hört und auch nie mehr hören bekommen wird von irgendjemand auf dieser reichhaltigen Welt. Dazu ein Klang, der so perfekt gemischt war, der weder an bassiger Überlastung noch an schmerzvolle Ohren erinnerte, sondern einfach so war, wie es sein mußte… ach, man könnte einen ganzen Roman aufs Blatte bzw. in diese Tasten hauen zu ihm und seiner Kunst: all die Wahrheiten, die Kraft, die Kompromißlosigkeit aber auch Schweigenkönnen und das große Künstlerherz, das bis zuletzt leidenschaftlich schlug. Ein kleiner Zeitungsartikel zum Tode bedeckt nun meinen Türrahmen, sein NewYork-LP-Cover steht seit Monaten dominant neben dem Thorens und auch die CDs und Textbücher werden immer wieder ausgepackt und eingeatmet. Bei welchem Künstler würde man dies sonst noch tun? “I met a new ME at 2 am, the other one was murdered.” beginnt ein Song und man kann sich nicht satthören an solch einem Text wie all den anderen Texten, die so genialst teffend sind und einen einfach packen. Es lohnt sich für all die, die Lou Reed erst in den letzten Jahren odernur mit VU-Zeiten kennen, in all die anderen (vielfältigen) Werke hineinzuhören. Mein geliebter Plattenladen hier vorort hatte sich im Herbst dazu mit all dem Material eingedeckt, was zu bekommen war, um es weiter leben zu lassen und weitergeben zu können. “Coney Island Baby” ist mir dabei nachträglich in einer Tiefe begenet, daß ich mich einfach nur noch mal reich beschenkt fühlte, da der Song zuvor in einer LiveAufnahme auf MC in meinem Regal verschwunden war.
    Liwebe Grüße aus Hamburg – Hanni

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