Ich kann diese Fressen (Entschuldigung) nicht mehr sehen (eigentlich bin ich ein grosser Fan von Differenzierung & Ambivalenz, & ein Fussballhasser weissgott auch nicht, aber auf den grossen TV-Kanälen ist derzeit wirklich alles zu spät): Primetime der ENTLANGLABERER. Falls sie mal gerade nicht am fachsimpeln, talken oder quatschmachen sind, versuchen sie einem in den Werbepausen irgendwelches Zeugs anzudrehen, das bei jedem Warentest achtkantig durchfallen würde.
Danach wieder Echtzeit: Gib ihnen irgendein Thema, IRGENDWAS (oder irgendwen), und sie labern’s (oder sie oder ihn oder was auch immer) reisswolfartig & ohne jedes Erbarmen zu Brei. Etwa ein Dutzend immer wiederkehrender Gesichter mit Mündern dran, die ununterbrochen auf & zugehen. Dahinter eine Armee von Witzeschreibern, Informationsbeschaffern & Telepromptern. Eine Art Stellvertreterfamilie, die ein ganzes Land zu ihrem Wohnzimmer macht. Obwohl sie den lieben langen Tag nichts als chillen, wissen sie alles besser: im Moment selbstredend über Fussball. Ansonsten kennt man sie aus Talkshows & Quizsendungen. Auch da dasselbe: sie wissen alles. Besser. Was vielleicht auch am Medium liegt: im Gegensatz zu halbwegs normalen Menschen fühlen sie sich vor einer öffentlichen Kamera so wohl wie Goldfische im Aquarium (nach Fütterung). Was ihnen wiederum den entscheidenden psychologischen Vorteil verschafft: das quasi ständige Herumreiten auf diesem einen billigen Trick. Könnte das sein?
Das wäre eine Theorie. Eine andere: Aliens. Bei Jauch erinnern zumindest die Ohren irgendwie an Dr. Spock. Deshalb komme ich überhaupt darauf. Passt aber wiederum gar nicht nicht zu Kerners beturnschuhtem Lausbuben-Getue: da sind irgendwie zu offensichtlich irgendwelche Aufputschmittel mit im Spiel, und ich denke nicht, daß Aliens diese Mischung so überzeugend nachmenscheln könnten. Zumindest glaube ich, diese Sorte halbwegs zu kennen (& ein bißchen Glauben braucht man immer).
Was bei Beckenbauer schon wieder völlig anders aussieht: der sieht mit seinen 60 Jahren immer noch so derartig wie-aus-dem-Ei-gepellt aus (plus Gattin), daß man sich fragt, wieso noch niemand auf die Idee gekommen ist, den als Werbeträger für Babyarschcreme unter Vertrag zu nehmen (z.B. Penaten). Jedenfalls ganz schräg: einerseits hat man (manchmal) das Gefühl, er sei irgendwie von einer anderen & irgendwie göttlicheren Rasse, andererseits traut man ihm (genauso manchmal) kaum zu, auch nur seinen eigenen Namen richtig schreiben zu können. Wiglaf Droste meint, er sähe aus wie mit seinen eigenen Körperflüssigkeiten eingeschmiert. Zwar weiss jeder sofort, was er damit meint, aber es bleibt trotzdem ein Gefühl von Fremdheit: wer ist dieses seltsame in-seiner-Loge-so-todernst-aus-der-Wäsche-schauende Wesen, während es bei Werbesendungen durchaus versucht, volkstümlichen Humor zu simulieren (“do legst di nieder”)?
Was die Alien-Theorie jedoch endgültig eher unwahrscheinlich macht, ist das Gespann Delling-Netzer: letzterer erinnert mich einfach zu achtkantig (wobei ich mich gerade frage, woher dieses Wort stammt? Wieso nicht sieben- oder dreikantig?) an meinen Lebensversicherungs-Sachbearbeiter aus Mönchengladbach. Und ausserdem an ein Pferd: mehr Bodennähe geht nicht. Da weiss man, wo man dran ist, bzw. womit man dem nicht kommen kann. Das kenne ich, weil ich aus der Gegend komme (auch ohne Glauben). Wobei allerdings diese fahrradhelmartige Schädelform von Delling mir wiederum zu denken gibt. Vorläufiges Fazit: einerseits schwer zu fassen oder auf Begriffe zu bringen, andererseits kantholzartig & ohne jeden Zweifel da. Na schön, lassen wir das mal so.
Mit unserem neuen “entspannten” Patriotismus ist es ähnlich: einerseits wär’s natürlich nett, sollte sich die Bedeutung all der Deutschlandfähnchen in Richtung weltoffenes Partyaccessoir verschieben (müsste die Deutschnationalisten alten Schlages eigentlich zehnkantig auf die Palme bringen), andererseits ist das eben so sicher auch noch nicht. Die zwei Gestalten, die sich gestern spätnachts noch an unserem Nebentisch pflanschten, waren jedenfalls überhaupt nicht entspannt. Besonders die Blicke des einen mit den tätowierten baumstammähnlichen Oberarmen & Reichsadler auf weissem T-Shirt. Sein Kumpel hingegen nur vom Typ durchgeknallter-Hanswurst-aus-Clockwork-Orange. Hübsches Gespann. Quasi von einer Welle von entspanntem Patriotismus in diese Kneipe gespült: nachdem sie jedoch von allen weiteren Gästen eine zeitlang dreizehnkantig ignoriert worden waren, schliefen sie schließlich ein. Erst der eine, dann der andere. Kopf-auf-dem-Tisch. Vielleicht also -dachte ich – schläft er ja nur, der alte & gar nicht entspannte Patriotismus. Irgendwann, als ich vom Klo kam, waren sie dann plötzlich einfach weg. Gab mir natürlich auch wieder zu denken: so einfach geht das?