Chris Whitley

Lernte Chris Whitley – ein bißchen – auf meiner letzten (bis dato) Stoppok-Tour kennen, wo er im Frühljahr 02 das Vorprogramm bestritt. Es war schwer für ihn, denn dieses Publikum war einfach nicht seins. Wartete auf einen vergleichsweise witzig-feucht/fröhlichen Abend mit uns, d.h. der Stoppok-Band, & plötzlich ist da diese seltsame Gestalt auf der Bühne – ein bißchen wie Artaud oder Pasolini – und macht ernst. Kaum Ansagen, geschweige denn witzig. Mit nichts als einer Dobro um den Hals sowie einem Brett auf dem Boden, welches das gelegentliche Stampfen seiner Cloggs verstärkt. Manisch, fiebrig. Renitenter Engel. Es scheppert & dampft & pfeift aus allen Nähten. Wie Hendrix auf`m Schrottplatz. Und das Stampfen kommt jetzt von einer Autopresse im Hintergrund.

Dann hört das Stampfen auf, das Scheppern wird leiser & eine ist Stimme zu hören, die irgendwas mit dunklem Samt zu tun hat. Und Gefahr: schwer zu sagen, ob für ihn selber oder jemand anderen. Oder alle anderen. Man hört Sätze wie “From One Planet To Another”. Damit meint er Menschen & die Seltenheit wirklicher Kommunikation (falls erlaubt). Er ist scheu, wild & verbreitet die Aura von jemandem, dem man vielleicht nicht unbedingt allzu nah kommen will. Es ist kalt und heiss, nie irgendwas dazwischen. Und was will der überhaupt hier? Die meisten haben also schlicht keinen Anhaltspunkt, was eigentlich los ist. Jeden Abend dasselbe Spiel. Und Whitleys halbe Stunde ist rum & manchmal sagt er nicht mal “thank you” oder sowas. Nicht, dass die Athmosphäre allzu feindselig würde oder der Applaus wegblieb. Doch die Leute, die wegen ihm gekommen sind, sind einfach zu wenig. Und für den Rest ist schlicht nicht Kumpel genug. Oder (schon wieder) so. Und immer, wenn wir dann von der Bühne kommen, ist er bereits weg. Im Hotelzimmer oder sonstwo. Es dauert also eine Weile, bevor wir mehr miteinander reden als nur hier & da ein paar Sätze.
Eines Abends nach 10 oder 12 Gigs ist es dann soweit (Frankfurt): ich verschweige jetzt mal die näheren Umstände usw. (& auch alles, was sich sonst noch so abspielte oder gesprochen wurde, ausser dass er mir eine Howlin`-Wolf-Zeile in den Kopf setzt:

Smoke stack lightnin`
Shining just like gold
Baby, can’t you hear me cryin’

Wie soll ich das beschreiben? Ich kann’s nicht, ohne laberig zu werden, was ich hiermit eingestehe… trotzdem gehört die hierher, wenn auch vielleicht nur als Gegenstück zum folgenden), doch am Ende besagter Nacht schenkt er mir ein Buch. “Selected Early Poems” von Charles Simic.

Als ich die Nachricht bekomme, ist so ziemlich einer meiner ersten (halbwegs wieder klaren) Gedanken: wo ist dieses Buch? Find’s dann merkwürdigerweise auch auf der Stelle, schlage auf`s Geratewohl eine Seite auf, und lese folgendes:

Autumn Air

Many centuries ago in China
The sages debated the feasibility
Of dispelling hunger
By swallowing a lot of air,

In some godforsaken village,
There lived a poor man
Who kept striving all his life
To master the difficult art.
Finally, one lean day
He summoned his starving family.

His first steps, it seems,
Were scarcely elevated,
But then he rose confidently
Over the huts and the trees,
And the far-off royal palaces.

High in the sky, he drifted
Holding on to his straw hat
Among the razor-sharp,
Dragon-headed kites,
On his way out to sea,
The stormy, white-capped sea.

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