Kleinkunst

Ziemlich nachträglich: Zum Tod von gleich zweien meiner Helden im letzten Monat möchte ich nichts weiter sagen, als dass die besten Nachrufe auf Johnny Cash meines Wissens von Bob Dylan (bobdylan.com) und Wiglaf Droste (taz.de…archiv…19/09/03…die Wahrheit) stammen. Auch der von Arne Wielander auf Warren Zevon via CD-Besprechung “The Wind” in der Oktoberausgabe des Rolling Stone (plus Kolumne) spricht mir derartig aus dem Herzen, daß ich hier voller Dankbarkeit meine Klappe halte, Amen.
Zum deutschen Kleinkunstpreis jedoch… hier prophylaktisch schon mal ein paar Antworten auf ein paar vorraussehbare FAQs:

Ja, Kleinkunst hat auch für mich einen leicht schrulligen Beigeschmack. Das Wort klingt, als wollte es sich ducken & sagen: nehmt mich bitte nicht für ganz so voll, denn ich mach mich ja schon selber klein. Wie wenn ein Boxer in den Ring klettert & als erstes verkündet: aber bitte nicht schlagen. Fast putzig. Na schön.
Andererseits kann es aber auch bedeuten: die kleine Form. Also z.B. keine Riesenbühne mit 27 Verstärkern & der Lautstärke von 200 Presslufthämmern, sondern einfach Reduktion auf’s Wesentliche. Zurücknehmen. Und in einer Zeit, in der eh alles um die Wette brüllt, egal was, Hauptsache grell – hat`s doch schon fast wieder etwas Renitentes: leise Töne. Dazu kommt: neben Namen wie Stiller Has braucht sich ja nun auch wirklich niemand zu schämen. Und ohne absurd fette Werbeetats im Rücken ist es vielleicht eine der wenigen verbleibenden Möglichkeiten, bei sich zu bleiben & trotzdem vor ein paar Leuten mehr zu spielen. So jedenfalls verstehe ich das, und deshalb: artige Verbeugung. (In Wirklichkeit freu ich mich natürlich wie ein Schneekönig, klatsche in die Hände & hüpfe rumpelstilzchenmässig im Kreis herum).

Ob ich ein politischer Künstler sei ? – Ich weiß nicht ganz genau, woher meine Abneigung gegen dieses Wort kommt, aber ich könnt`s ja mal versuchen: ich glaube, es hat zu tun mit dem Politikbegriff, der irgendwie darin enthalten ist. Ich muss dabei sofort an Leute denken, die mich etwa vor 25 Jahren nervten mit: ” Kannst Du mir mal bitte erklären, was an deiner Musik in irgendeiner Weise zur Revolution beizutragen hat ?” Grob verkürzt, aber so in etwa. Heute nerven mich dieselben Leute (jedenfalls ein paar davon) mit dem exakten Gegenteil, nämlich massgeschneiderten Anzügen aus möglichst teurem Tuch… nun hab ich natürlich nichts gegen gutgekleidete Menschen (& manchen Leuten steht das auch auf eine selbstverständliche & unangeberische Weise), aber wenn man auf 10 km gegen den Wind riechen kann, dass meine ExRevolutionäre damit in erster Linie auf einmal ihre Gutsituiertheit herauszustellen suchen bzw. mit dicker schwarzer Tinte das Psychowort Kompensation auf ihrer Stirn geschrieben steht (und das geht nur sehr langsam weg ) – oder mir Sachen sagen wie “Eigentlich war ich schon immer Nena-Fan”, dann reicht’s.

Natürlich hab ich auch nichts gegen Nena-Fans (was könnte man denn auch gegen Kinder haben ?), aber darum geht’s hier nicht. Es geht um diesen Politikbegriff mit Universalanspruch, den sie damals vertraten & der gefälligst auf alles zu passen hatte & der bei einem Wort wie Politischer Künstler mitschwingt. Und ich habe – bildlich gesprochen – keine Lust, jetzt auch noch deren Lederkutten oder Latzhosen aufzutragen. Insofern bin ich auf gar keinen Fall ein politischer Künstler.

Jemand wie Franz Josef Degenhardt mag ein positives Recht auf diesen Begriff haben bzw. solche Strategen an ihren schleichenden Verrat erinnern. Aber dieses Recht hab ich nicht, der ich schon immer eher versucht habe, an diesem Politikbegriff zu sägen…. und deshalb gibt’s auch nichts, wovon ich etwa enttäuscht sein könnte. Eher genervt.

Allerdings merke ich, dass mich in letzter Zeit schon sogenannte politische Themen nicht ganz unberührt lassen… vielleicht liegt’s daran, dass besagte Nervensägen (zumindest nicht in diesem Ton) nichts mehr davon wissen wollen & somit dieses Territorium wieder vakant ist, aber ich glaube nicht… ich nehm mir einfach das Recht als Künstler (Herrje: Künstler ! Also, falls ich denn einer bin…), über alles zu schreiben, wonach mir gerade zumute ist. Und ich möchte den Typen aus irgendeiner postpostpost-modernen Werbebranche sehen, der mir das abzusprechen wagt. Grrrrr !
Und außerdem finde ich die neuen Globalisierungsgegner schon deshalb interessant, weil sie besagten Politikbegriff eher nicht predigen. Die sind ausgeschlafener, präziser & besser informiert. Mal sehen, was daraus wird. Oder einen am Ende vielleicht sogar tangiert. Unter anderem. Und wenn mich das bereits zu einem politischen Künstler macht, na schön, dann bin ich vielleicht einer. Aber auch nur dann.

Und falls, wie gesagt, ich überhaupt ein Künstler bin. Denn ich bin mir nicht sicher, ob ich Leuten wie Miles Davis, Picasso oder Henry Miller auch nur annähernd jemals das Wasser würde reichen können. Und da bleiben wir doch lieber mal streng. Sonst wird’s inflationär & das Wort kriegt genau jene Hybris, die einen zurecht abstösst. – Andererseits hat natürlich fast jeder Mensch seine Momente von (komisch, wie schwer es mir fällt, dieses Wort auch nur hier hinzuschreiben) Künstlertum, das – wenn man ein paar Griechen Glauben schenken darf – mal die ursprüngliche Aufgabe hatte, eine Verbindung zu den Göttern herzustellen bzw. Katharsis. Was immer nun wiederum dieses Wort bedeutet. Aber lassen wir’s für den Moment mal dabei.

Was ich denn dann wäre ? – Jemand, der sich mit Wörtern – und zwar in erster Linie in Verbindung mit Klängen – mittlerweile verhältnismässig gut ausdrücken kann. Exakt das. Und in der Unterhaltungsbranche tätig (Franz Dobler). Welche da ist ein weites Feld (Grass).

Na schön, die nächste Platte wird jetzt wahrscheinlich schon wieder etwas länger brauchen (Schätzung diesmal: etwa April/Mai), aber was soll’s. So einen Preis kriegt man ja auch nicht jeden Tag & wenn man dadurch gezwungen wird, sich ein bisschen genauer zu positionieren (oder ein paar herumstolpernde Begriffe daran zu hindern, auf einen draufzufallen), schadet’s ja vielleicht auch nicht.

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