Wieder da

… so, wieder da… das Ganze hat jetzt fast ein Jahr gedauert, ganz schön lange war’s, aber dafür ist erstmal Sense… & wo ich wieder so hier bin (wonach ich mich teilweise derartig gesehnt hatte auf der Tour), vermisse ich ab & zu doch den ein oder anderen… ist schon ne nette Bande, wenn mir auch eine ganze Menge daran nicht gepasst hat… & nee, das ganz grosse Ding ist es auch nicht geworden, aber einen Zuschauerschnitt von etwa 400 Leuten hatten wir schon… in Red Rocks waren es sogar 7000 & eine Basis für weitere 37 Touren wäre zweifellos gelegt, wenn nicht diese ewigen Gitarrensoli… aber das hatten wir ja in den Grundzügen schon alles & jetzt war’s halt der Rest der USA, den ich so am Rande so mitgekriegt hab… das finish des Wahlkampfes zum Beispiel (ich war am Tag der Wahl zurückgeflogen): ein paar Leute sind sicherlich jetzt noch depressiv wegen der Wiederwahl dieses Irren… ein oder zwei werden vielleicht sogar nach Canada auswandern… obwohl ich glaube, dass dieses Land einfach zu riesig ist, um ernsthaft gefährdet zu sein, selbst bei weiteren vier Jahren dieser christlich verkleideten Blut-für-Öl-Bande… sicher werden sie weiteren Schaden anrichten (& vor allem bei anderen), aber die Gegenkräfte sind auch nicht zu unterschätzen, es gibt dieses andere Amerika (& den Ketchupbaron fand niemand wirklich aufregend), und da wird sich was tun.

In Los Angeles traf ich Chris Whitley wieder, Sunset Boulevard, er sass auf dem Boden vor dem “Sniper’s” (eine legendäre kleine Kneipe, wo er gerade gespielt hatte), manisch wie eh & je & erklärte einem Studentenblatt-Mädchen mit geradezu engelhafter Geduld irgendetwas über Musiker wie Ali Farka Toure… während eine aufgedonnert-wenn-auch-ziemlich-sexy aussehende Blondine ihm beim Weggehen zuwinkte, als wollte sie sagen “selber Schuld, wenn Du Dir sowas wie mich heute nacht einfach so entgehen lässt…” – aber Whitley war mit Musik beschäftigt, als hätte er einen Auftrag von irgendwoher, und vielleicht ist das ja auch so. Ich setzte mich ein paar Minuten dazu.

Später in derselben Nacht traf ich den ersten Produzenten von Warren Zevon (der dann ausgetrickst bzw. rausgekickt wurde, noch bevor die erste Platte erschien)& fragte ihn natürlich aus; er schenkte mir ein Foto von den Anfängen & ausserdem eine Kopie dieser ersten Aufnahmen, z.B. die Urversion von “Werewolves of London”: wesentlich wilder als die Platte, die dann rauskam, kann ich nur sagen… “My Studebaker’s Breaking Down Again”, mein Jott ! … wie ich gehört habe, wird dieses Zeugs demnächst veröffentlicht werden (& da kommt auch was anderes noch nach… ) – er erzählte mir, dass Zevon damals ein sehr zurückhaltender, wenn nicht sogar scheuer Charakter gewesen war… kurz vor den Aufnahmen im Studio pflegte er dann mindestens eine halbe Flasche Wodka auf Ex zu trinken & danach konnte man dann so langsam auf den Aufnahmeknopf drücken.

Ausserhalb von Eugene/Cal. besuchen Wally, Eric & ich ein paar Tage später die Prairie Sun Recording Studios, in denen Tom Waits z.B. nicht nur Mule Variations aufgenommen hat & hören uns ein paar Geschichten an… sieht aus wie eine kleine Farm mit Blick auf die Berge, sehr ruhig & natürlich & schlicht & sogar Hühner laufen dort herum (auf Waits’ Platten hört man ab & zu einen Hahn krähen, nicht nur symbolisch)… im billigsten der 3 angebotenen Studios arbeitete Waits, und dazu in dem am spärlichsten ausgestatteten Raum: sieht aus wie eine leergeräumte Waschküche (& klingt auch so)… bei einer Gelegenheit hatten sie gerade ein Stück aufgenommen, Waits ging ans Mischpult, schob die Regler mit drei Fingern in ungefähr die Position, in die er sie haben wollte & sagte dann zu einem der Mixer: “Du hast exakt drei Stunden Zeit, das hier fertigzumischen, keine Sekunde länger !” …gab mir, der ich es fertigbringe, eine ganze Woche oder gar länger an einem Stück herumzumixen, natürlich zu denken…

ganz abgesehen davon war Waits auch hier in Berlin (Theater des Westens, ne Woche her) vor allem eine Lektion. Und zwar darin, wie man etwas klein & wesentlich hält & durch intelligente Aufteilung der Instrumente (z.B. gut konstruierte rhythmische Kontrapunkte) sich eine Grundlage schafft, von der aus man eigentlich überall hin kann (ob man z.B. ein Solo spielt oder nicht, kann man dann völlig dem Moment überlassen)… natürlich muss man den Klang vorher halbwegs definieren… aber danach geht’s vor allem darum, auf die Stille zwischen den Noten zu achten, ja fast sogar nur darauf… der Dreh ist, es dann irgendwie dahin zu bringen, dass vor allem besagte Stille (oder die Pausen zwischen den Noten, oder der Atem, oder der Rhythmus der Löcher) einem entgegenarbeitet, so dass man sich im Idealfall – & wenn alle Zufälle glücklich mitspielen – möglichst vollkommen fallenlassen kann… oder anders gesprochen: eine Atmosphäre schaffen, in der Vertrauen herrscht, in der man abwarten kann, in der man nicht das Gefühl hat, sofort losplappern zu müssen , weil sonst vielleicht jemand etwas missverstehen könnte, was dasselbe ist wie zuviele-Töne-spielen…

seltsamerweise rief Moe eben an & fragte mich, ob ich die neue Waits-Platte schon gehört hätte undsoweiter & dass wir doch so ziemlich die einzige Band hier weit & breit wären, die sowas auch bringen könnten, wenn… vor lauter Verblüffung hatte ich ganz vergessen, ihm zu erzählen, dass ich nach dem Konzert bei den restlichen 7 Band-Songs erstmal sämtliche Spuren weggelöscht hatte bis auf gewisse “Basics”, das ging ganz schnell & einfach & mit wachsender Begeisterung, noch in der selben Nacht… & mit diesem Rohstoff wird jetzt anders umgegangen… & das wird sich von der ersten Hälfte der Platte, die ja bereits fertig ist (& die ich nicht nochmal neu aufnehmen werde), vermutlich ziemlich unterscheiden, aber egal: dann wird’s eben im schlimmsten Fall ein Sammelsurium, das war “Vom Tisch” schliesslich auch… soviel zu meinem neuen Konzept. Dazu hätte ich vielleicht gar nicht nach Amerika fahren müssen. Vielleicht.

Und wo wir gerade in der Nähe sind: bin mir zwar noch nicht ganz sicher, aber ich glaub, ich such ne neue Plattenfirma. Will mehr im Moment dazu noch nicht sagen, ausser: auch das wird mal wieder ein bisschen Zeit kosten.

Ansonsten hab ich unterwegs einiges weiter- bzw. fertiggeschrieben, u.a. die sehr freie ‹bersetzung eines Songs, den David Lindley seit Jahren spielt: “Do You Want My Job ?” – Die Autoren heissen Hiatt, Keltner, Lowe & Cooder & es geht um einen Fischer auf einer der Südseeinseln, wo z.B. solche Arschgeigen wie der frühere Gitarrist von Uriah Heep mittlerweile dazu beitragen, dass dort Atommüll im Meer versenkt wird. Ja, ganz toll. Und natürlich kann man die Fische da nicht mehr essen. Der Text spricht aus der Sicht dieses Fischers: “Cool breezes from the mountains blow / as I get dressed & ready to go… ” – die Musik hat eine wunderbare Weite & man sieht diese Berge beinah vor sich… während der Text eigentlich unsentimental ist & fast rein deskriptiv & diese Mischung erzeugt eine spezielle Spannung… er macht jetzt nur noch ein paar Kröten, und dann kannst Du seinen Job haben, wenn Du willst. Naja, soweit dazu.

Vor ein paar Jahren, als ich Herrn Lindley durch Berlin kutschierte, hatte ich ihm unterbreitet, dass man daraus auch eine ganz andere Story bauen könnte, zumal sich zumindest der Refrain völlig problemlos ins Deutsche übertragen liess: “Willst Du meinen Job ?” Simpler ging’s wirklich nicht & die Idee war, quasi das Innenleben eines Musikers auszubreiten, der keine Lust mehr auf die Band hat, in der er spielt (oder auch nie hatte, da aber irgendwie reingerutscht ist). Er sieht also all die begeisterten Leute im Publikum, & denkt: Himmel, wenn die wüssten…. Lindley lachte, als er das hörte & meinte, nicht schlecht & sowas hätte sich auch Warren Zevon ausdenken können… für mich ein derartig schwer zu schlagendes Kompliment, dass ich’s seit der Zeit immer mal wieder versucht hatte damit… dass es mir nun ausgerechnet auf dieser Tour gelungen ist, hat jedoch mit Sicherheit auch mit anderen Dingen noch zu tun (und meine “spiessigen” Freunde – & jetzt alle dreimal laut: ha ha ha – aus dem Gästebuch haben völlig richtig geschätzt, was wiederum beruhigend ist).

Weitere Entdeckungen: R.L. Burnside, Junior Kimbrough (letzte Blueslegenden aus Mississippi… Dave schenkte mir ein paar Platten, als wir da unten waren & ich will gar nicht erst anfangen, das zu beschreiben), dann der Col. Bruce Hampton, der seine jeweilige Band immer dann auflöst, wenn grössere Bekanntheit droht, ein Trip für sich (no egos under water!) & Freund Don van Vliets & ausserdem berüchtigt dafür, Leuten ihr Geburtsdatum von der Nase ablesen zu können (bei mir hat er sich allerdings ziemlich vertan), & falls jemand an superhochkarätigen Musikern in ihren entspanntesten Augenblicken interessiert ist, dann soll er/sie sich die beiden Platten von Aquarium Rescue Unit besorgen… & falls wer zufällig demnächst New Mexico besuchen bzw. sich irgendwann fragen sollte, was man denn sonst noch dort so tun kann, würde ich sagen: Taos besuchen, liegt nordöstlich von Santa FÈ (& ist noch nicht von Hollywoodstars heimgesucht so wie Telluride in Colorado z.B., was aber vermutlich bald passieren wird… noch ist es ein unschuldiges kleines Künstlerdorf, wo sie sich mit sehr wenigen Mitteln ein kleines Paradies geschaffen haben).

Tahoe an der Nevada/Californien-Grenze ist auch nicht schlecht. Oder Flagstaff & Umgebung in Arizona. Auch in Utah gibt’s ein paar wunderbare Ecken… so, jetzt reicht’s aber… es ist einfach zuviel & man stolpert aus seiner Koje im Tourbus (alle anderen schlafen noch) & reibt sich die ƒuglein & sieht nach draussen, und schon wieder tut sich da eine Landschaft auf, dass einem die Kinnladen runterfallen… & versucht man zu fotografieren, werden die Bilder immer zu klein, mickrig gegen das, was einen in Wirklichkeit umgibt… man könnte auch sagen: dieses Land ist einfach zu gross… und in den Redwoods in Nordcalifornien gibt’s Bäume, die mehr als 100 Meter hoch bzw. deren Stämme mehr als 10 Meter breit & dazu noch älter als 1000 Jahre sind, wir hielten gegen 3 Uhr morgens dort an, weil Jerry der Meinung war, dass “dieser Deutsche” mal ein Gefühl dafür kriegen sollte… Nebel überall & ein paar Leute auf irgendwelchen Pilzen… & aaaah, guck mal daaaa… & daaa & daaa… wie Kinder zu Weihnachten, was ja eigentlich auch sehr schön ist & was ist eigentlich gegen solche Indianervisionen zu sagen (sogar Bill Hicks predigte Pilze), solange keine ernsthaften psychischen Macken dabei herauskommen, was offensichtlich hinterher nicht der Fall war (aber ich nehm trotzdem keine)… was soll ich noch sagen ? Ja, beeindruckend. Klar.

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