schnell was zum Schreiben

18.05.07

Da ich hier schon länger nicht mehr kolumnet habe, dachte ich, vielleicht wären (zum Ausgleich) mal wieder zwei weitere Stücke aus der Schublade nicht schlecht.
Das erste – beide übrigens Cassettenüberspielungen (Rauschen) – entstand etwa 92´ auf ner Stoppok-Tour. Brauchte dafür, daran kann ich mich erinnern, nur etwa 10 Minuten, für mich sensationell. So schnell hab ich jedenfalls nicht mal annähernd je wieder irgendwas fertiggebracht. Hatte zwar später nochmal versucht, daran herumzudoktern, aber es ging nicht. Komischerweise kann ich mich auch immer noch dran erinnern, wie das Hotelzimmer aussah, in das ich reinkam & schnell was zu Schreiben brauchte. Ausserdem war´s ein schöner Tag draussen. Jedenfalls hab ich diese Version hier dann etwa 5 Jahre später aufgenommen (eigentlich für „Vom Tisch“… flog dann aber aus irgendwelchen Gründen raus. Vielleicht ein bißchen zu düster. Vielleicht hab ich auch dieser absoluten Momentaufnahme misstraut. Dazu kommt, daß hier keineswegs klar ist, wer das Erzähler-Ich überhaupt ist … & sowieso & ausserdem: können hochkarätige Bluesdepressionen am Ende nicht auch manchmal ganz gesund sein? Sie können die Zeit spiegeln, einen Verlust, oder auch was anderes, das einen nicht eher von der Leine lässt, als bis man dem zumindest ne zeitlang eine gewisse Realität zugestanden hat. Oder Wörter dafür gefunden. Psychologen täten vielleicht sagen: besser “Trauerarbeit” als Schizophrenie. Auch Nick Cave & andere eher dunkel daherkommende Gestalten vertrauen auf nichts anderes als diesen Mechanismus. Soviel ich weiss bzw. soweit die Theorie, klar).
Das zweite war – Anfang 2000 – eine Auftragsarbeit für Gerd Köster im Rahmen einer Kölner Veranstaltung, bei der es um die Ausgleichszahlungen für NS-Zwangsarbeiter ging. Ich hatte exakt 2 Wochen Zeit dafür, & das hier ist das Demo, das ich ihm dann schliesslich schickte: „Zeit in Flammen“. Gerd änderte den Refrain ein bißchen (& es hiess schliesslich „Blitzblanker Hohn“. Und in der Version spielten wir es dann auch noch einmal bei der Verleihung des Demokratiepreises der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ an Lothar Evers – näheres nachzulesen am Ende der Kolumne vom Juni 2000).
Mittlerweile sind besagte Ausgleichszahlungen – mehr oder weniger kläglich – auch zu einer Art Abschluss gebracht worden, während altbekannte ExNazis in der Regel hier schon immer & völlig problemlos & mit fetten staatlichen Pensionen einer milden & vergesslichen Abendsonne entgegensehen konnten… letzteres jedenfalls mit ein Grund, warum es hier mal Dinge wie die RAF gab (falls das jemand vergessen hat). Wohin mit dieser berechtigten Wut? Daß die RAF perverserweise auch den Grundton (zumindest mit-) vorgab für einen leider teilweise bis heute latenten (& wortreich als Antizionismus verkleideten) Antisemitismus (oder auch sehr gutmütig ausgedrückt: unverhältnismässig idiotische Begriffsstutzigkeit bei allem, was Israel & Palästina betrifft) der deutschen (Ex-)Linken, gehört dabei selbstverständlich mit in diesen Zusammenhang (danke für die diesbezügliche mail, D.S.). Und Entschuldigung für all diese Klammern hier (aber immerhin hab ich auch das jetzt hinter mir).
Jedenfalls bin ich froh, daß mir früh genug Dylan oder Miles Davis über den Weg liefen. “Bitches Brew” von 69´ beispielsweise: was für ein Feuerwerk! Und etwas später dann Henry Millers Griechenlandbuch oder Dostojewskis “Idiot” (ich will hier auch nicht weiter herumandréhellern, versprochen, sondern nur gerade eben genügend, um die Richtung anzudeuten, in die sich mein Kopf etwa Mitte der Siebziger davonmachte. “Eskapismus” nannte man das damals… gar nicht davon zu reden, in welche noch viel “unpolitischeren” Regionen sich diese Helden der Arbeit dann teilweise – und gar nicht so sehr viel später – selber davonstahlen. Verstärkt für mich jedenfalls eindeutig die Frage, ob das sog. Politische nicht sowieso & per se & selber schon immer eine Art Eskapismus war. Wovor? Vor der halbwegs ehrlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Verstehen Sie, Mijnheer?). Das war alles noch vor Punk. Und von da ab war die Sache dann endgültig für mich entschieden. Ein paar andere hatten vielleicht weniger Glück. Und noch ein paar andere… ach, ein andermal, sonst wird die Nacht hier womöglich wieder zu lang. Und ich muss schliesslich auch meine gegenwärtige Filmmusik noch zuendekriegen („Mein Gott, ist der mal wieder mit wichtigen Sachen beschäftigt, dieser Angeberarsch!“). Ausserdem bewundere ich seit einiger Zeit einen deutschen Schauspieler ganz besonders: Alexander Scheer (das ist gerade „mein“ zweiter Film mit ihm, & ich hoffe, sie werden den ersten demnächst mal endlich in der Glotze zeigen: er heisst „Brennendes Herz“, geht über Neonazis & Scheer ist schlicht grossartig). Der soll jedenfalls bittebitte so weiter machen, dem sollen alle seine Sterne aufgehen.
Denn z.B. Harald Schmidt (Katholik) sinkt demnächst Richtung Oliver Pocher (Zeuge Jehovas, ex). Sie kennen sich aus der Werbung für Mediamarkt. Und in diesem Fall bin ich (dagegen dann) selbstverständlich nur ein ziemlich kalter Beobachter. Wenn so jedenfalls die weltlichen Aktivitäten eines in diesem gerade neu angebrochenen global-multimedial-digitalen (usw.) Zeitalter sich ebenfalls neu orientieren müssenden Christentums aussehen, dann äh…. ja, gute Nacht, Trompeter: Ein neues Jerusalem wird das jedenfalls nicht. – So, ab ins Bett.