Nur so für zwischendurch nochmal ein zur Abwechslung ausnahmsweise nicht von mir stammender Rauchertext – dazu auch noch einer über Zigarrenraucher, wobei neben Antirauchern leider auch die Zigarettenraucher nicht allzugut wegkommen, aber egal. Ich fand ihn einfach so lustig, pointiert & im Tonfall so anders als das, was man von hier gewohnt ist – dass ich quasi kaum anders konnte. Es handelt sich dabei um eine in dieser Hemisphäre nicht zugängliche Kolumne von Kinky Friedman, die ich dazu auch noch übersetzt hab. Also im doppelten Sinne exclusiv nur hier & jetzt & für meine siebenunddreissig Besucher… viel Spass!
Blowin´Smoke
Als mein Verleger anfragte, ob ich nicht mal irgendwas über Zigarren schreiben könnte, hielt ich das für eine bemerkenswert krankgeleitete Idee. Es gibt nicht viele Leute auf der Welt, die Zigarren mögen, und noch weniger, die sie rauchen. Die meisten würden sie nicht mal mit einer Bootsstange anfassen (ganz zu schweigen von der Tatsache, dass manche Zigarren heutzutage die Größe einer Bootsstange haben). Die überwältigende Mehrheit der Frauen hassen Zigarren sogar mehr noch als Kakerlaken. Und selbstverständlich sind Kinder die schlimmsten von allen, wenn sie im Supermarkt bereits beim Anblick einer selbst unangezündeten Zigarre mit ihren kostbaren kleinen Händchen vor ihren kostbaren kleinen Näschen herumwedeln. Und sowas irritiert selbst den Kinkster immer wieder (*1). Manchmal verspüre ich den Wunsch, sie mit einer Bootsstange in ihre kleinen Rippen zu pieksen.
Und genau das war es schliesslich, weshalb ich mich entschied, doch über dieses Thema zu schreiben. Ich sehe es als eine erzieherische Maßnahme gegenüber all den hochtrabenden, politisch korrekten, humorlosen & verstopften spirituellen Dampfwalzen in unserer pathologisch gesundheitsorientierten zivilen Gesellschaft, die Zigarrenraucher mittlerweile beinah wie biblische Leprakranke behandelt. Und in der Tat sind Zigarrenraucher eine der meistgeschmähtesten und diskreditiertesten Minderheiten im Land. Glücklicherweise sind die meisten von uns gutgebaute, unwirsche, großmäulige & wohlhabende Kerle, die jede Art von Missbrauch seitens kostbarer kleiner Kinder in Supermärkten bestens zu handhaben wissen.
Und obwohl die Meinung in der wissenschaftlichen Gemeinde nicht sehr verbreitet ist, war ich immer der Ansicht, dass Zigarren einem guttun. Wenn´s hart auf hart kommt, stehen Nichtraucher oft passiv an der Seite, während sie passiven Rauch in ihre passiven Leben inhalieren. Und Zigarettenraucher springen unter solchen Umständen in der Regel panikartig aus den Fenstern ihrer Parterre-Wohnungen. Wie auch immer, jedenfalls scheinen Zigarrenraucher oft, sobald es brenzlig wird, eine Art kosmische Symphonie zu dirigieren, die nur sie selber hören können. Ihre Haltung ist vielleicht am besten beschreibbar mit „Lass die Lava rollen“. Und ich füge hinzu, dass dieser Bewusstseinszustand den Blutdruck senkt, Stress mindert, gar nicht zu reden davon, dass es immer ein Vergnügen ist, andere zu irritieren. Letzteres, so fahre ich fort, ist eines der wahren Geheimnisse um die berüchtigten Langlebigkeit von Zigarrenrauchern.
Thomas Edison zum Beispiel, der Berichten zufolge 18 Zigarren täglich rauchte, wurde 84 Jahre alt, und zwar hauptsächlich indem er Leuten seinen Zigarrenqualm ins Gesicht blies, die sich über seine Erfindungen lustig machten. Mark Twain, der bis zu 40 Zigarren täglich paffte, sagte: „Falls das Rauchen im Himmel nicht gestattet sein sollte, geh ich nicht.“ Er war 74, als er anfing, himmlische Zigarren zu rauchen und Heiligenscheine statt Rauchringe in den Raum zu blasen. Und dann gab´s da Winston Churchill, der während der Kriegsjahre fast immer eine Zigarre in der Schnauze hatte. Und der sogar eine spezielle Sauerstoffmaske beantragte, um nur ja auch bei Überhöhenflügen noch rauchen zu können. Er lebte, bis er 90 war.
Sigmund Freud, der erste Mann, der realisierte, dass Zigarrenrauchen eine hochsuggestive orale Fixierung bedeutete, war nichtsdestotrotz selber selten ohne Zigarre anzutreffen und lebte, bis er 83 Jahre alt war. Vor 3 Jahren wurde ich infolge einer eher unerfreulichen Verkettung von Umständen ziemlich unfeierlich aus dem Freud-Museum in Wien, Österreich, hinausbefördert. Die Empfangsdame, die aussah und sich auch so benahm wie ein Spürhund mit Ohrringen, war mit meiner Zigarrenraucherei alles andere als nachsichtig. Und das in einem Museum, welches einem Mann geweiht war, dessen ganzes Leben sich um Zigarren herum entwickelt hatte; selbstverständlich mitsamt all den kranken Dingen, die sie im Unterbewusstsein möglicherweise repräsentieren. Ich machte ihr genau das gerade klar, als sie eine Phalanx von U-Boot-Kommandeuren um sich versammelte, die mich dann gnädigst zum Ausgang geleitete, während ich wiederholt in ausgesucht gereimtem Vers chantete „Sigmund Freud / tät das sehr leid“. (*2)
Ich für meinen Teil rauche nicht weniger als 12 Zigarren täglich mit der Erwartung, ewig zu leben. Selbstverständlich inhaliere ich nicht. Ich blase meinen Rauch nur in Richtung kleiner Kinder, zartblühender Pflanzen und jedem, der gerade zufällig an mir vorbeijoggt. Im Alter von 14 Jahren experimentierte ich mit Swisher Sweets und Rum Crooks (*3), bis ich mich schließlich hocharbeitete zu den großen schwarzen phallischen Symbolen, die ich heute rauche.
Ich glaube, dass der Notstand des Zigarrenrauchers symptomatisch ist für eine ernsthafte Schräglage der Prioritäten in diesem großartigen Land. Nehmen wir z.B. an, 3 Männer spazieren in ein kalifornisches Restaurant. Der erste trägt einen Cowboyhut und raucht eine Zigarre von der Größe einer koscheren Salami, der zweite trägt eine Uzi, und der dritte, der gerade zurückgekommen ist von einem Yogaseminar in Utah, ist nackt und darauf aus, so viele der Gäste wie möglich verrücktzumachen. Völlig klar, dass sich der Chefkellner und das Personal fast auf der Stelle zuerst des Cowboys annähmen und ihn verhaften ließen. Die beiden anderen blieben übrig mit der Frage, was zum Teufel eigentlich passiert ist.
Vielleicht käme die Polizei dann später nochmal zurück, um sich nach ihren Drehbüchern zu erkundigen.
Ich kann nur auf den Tag hoffen, an dem die Rolle der Zigarre in unserer Gesellschaft nicht länger zum Aschenhaufen der Geschichte gehört. Eine Zigarre hat etwas, dass nach einer Person mit einem gewissen spirituellen Gewicht verlangt, eine Maßeinheit dafür, mit sich im Reinen zu sein, ein geschickter Kunstgriff, die Welt auf Distanz zu halten. Zigarrenrauchen ist mehr als eine Angewohnheit, mehr als eine freudianische Zungenbewegung um nur ein weiteres Tabakprodukt herum. Zigarrenrauchen ist eine säkulare Religion, eine Lebensweise für diejenigen Männer (und Frauen), die keine Angst haben, zu leben.
Eine solche Person war auch Ernie Kovacs, ein Zigarrenraucher vor dem Herrn sowie sehr beliebter Pionier ikonoklastischer Comedy im Nachtprogramm. David Lettermann und viele andere bedienen sich noch immer bei Kovacs Material, seiner Philosophie und seinem Stil. Wir werden nie wissen, wieviel er sonst noch beigetragen hätte zu einer dringend eines gesunden Lachens bedürfenden Kultur, weil sein Leben 1962 im Alter von 42 leider zu früh endete, als er sein Auto zu Schrott fuhr. Der Legende zufolge fand die Polizei Kovac über das Steuer hängend, die unvermeidliche Zigarre in der einen und ein unangezündetes Streichholz in der anderen Hand. Es gab die weitverbreitete Vermutung, dass sein Versuch, sich die Zigarre anzuzünden, möglicherweise den Unfall verursacht hätte. Jedenfalls denke ich, wie auch immer, dass folgendes passiert ist: nach dem Unfall und im Bewusstsein, nur noch wenige Momente zum Leben zu haben, bestand seine letzte Handlung auf Erden in dem Versuch, sich seine Zigarre anzuzünden.
Anmerkungen:
1 Kinky Friedman bezeichnet sich selbst manchmal als „der Kinkster“
2 original bzw. besser: „Sigmund Freud would be annoyed“
3 beides Zigarillo-Sorten