„Wer auch immer, was auch immer, wo auch immer.“

Wollte ja noch ein bisschen was zum neuen Album erzählen, also: es ist fertig jetzt, die ersten Exemplare liegen – frisch aus dem Druck – vor mir auf dem Tisch hier. Was das Inhaltliche angeht, möchte ich mich lieber ein bisschen zurückhalten, denn die Natur von Songs besteht ja ganz wesentlich nicht zuletzt darin, etwas mit wenigen Worten so konzise wie möglich auf den Punkt zu bringen, wofür andere vielleicht halbe Bücher brauchen. Und entweder sprechen die Dinger dann für sich selber, oder aber sie sind halt äh… nicht so gut. Und ich unterstelle jetzt mal hier einfach Ersteres.

Insgeheim war ich mir übrigens nicht sicher gewesen, ob ich sowas wie „Freche Tattoos…“ nochmal hinkriegen würde, aber vielleicht geht´s darum ja auch gar nicht: es ist halt ein ganz anderes Album geworden. Und so sieht das kleine Biest aus:

Bildschirmfoto 2016-02-27 um 19.17.19

Immerhin sind 7 Jahre seitdem vergangen, vieles hatte sich angesammelt in dieser Zeit, manches davon war auch ursprünglich für andere geschrieben, dazu in verschiedenen Phasen, und so ist es eine Art Querschnitt.
Die persönlicheren Songs eher in rot (so wie Nietzsche meinte, dass ihn nichts interessiere, was nicht „mit Blut“ geschrieben sei), und die eher politischen so vorausschauend wie möglich, also keine Tagespolitik, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie noch ne zeitlang halten werden.
Dann gibt´s ein paar satirische Sprengsel, um das ganze nicht allzu schwer werden zu lassen, und überhaupt geht´s dabei stilistisch mal wieder ziemlich quer durch sämtliche Rabatten, da kann ich halt nicht anders, und ein Stück klingt vielleicht ein bisschen nach Nina Simone, ein anderes nach Nick Cave, noch eins nach Manu Chao und ein weiteres nach Daniel Lanois. Der frühe Dylan und Randy Newman linsen auch ab und zu um die Ecke, und an einer Stelle wird sogar Duane Eddy mit Aaron Copeland gekreuzt. Manche Stücke sind sehr fett instrumentiert (bis hin zu 10 Leuten incl. leicht „kubanischer“ Bläser, kombiniert zum Beispiel mit Viola), andere kommen bereits mit Klavier und Gitarre aus, und beim letzten Song sing ich fast einen halben Chor alleine (wenn Dan Reeder das darf, dann darf ich das auch!). – Insgesamt haben´s von etwa 25 Songs 12 – und in einer fast story-ähnlichen Reihenfolge – auf das Album geschafft, dessen Grundstimmung ich mit „blauviolett“ umschreiben würde.

Über die Arbeitsweise und die Beteiligten in Ingo Krauss` großartigem Candybomber Studio hab ich ja bereits im vorletzten Beitrag hier berichtet, und später dann – bei der quasi heimischen Weiterarbeit an dem Material – schneite des öfteren Karl Neukauf vorbei und half mir ein paarmal aus bösen Patschen, teils mit ein paar wunderhübschen Gitarrenparts, die er einfach so aus dem Ärmel zauberte, teils mit Ideen zu Sound oder Produktion. Apropos Karl: Unser schönes Duett namens „Pater Noster“, das wir jetzt auch schon so oft live zusammen gespielt haben, hat´s leider nicht auf´s Album geschafft. Genausowenig wie mein Israel-Lied, das der ein oder andere vielleicht noch von meinen letzten äh… Auftritten in Erinnerung hat (um die beiden tut´s mir besonders Leid, aber die klangen halt noch nicht so rund oder gut, wie ich sie „hörte“, was ich wiederum hoffentlich so schnell wie möglich irgendwie nachholen kann). – Zuguterletzt dann sang sogar mein märchenhafter Käpt´n Axel Prahl noch eines Nachmittags bei 3 Stücken mit, und auch Dota Kehr kam von ihren momentanen künstlerischen Höhenflügen kurz hier unten vorbei, um etwas zu „Und all meine Freunde“ beizutragen.

Übrigens ist das Ganze diesmal, nun ja… eine Art Soloalbum geworden. „Dziuks Küche“ ist nicht tot, sie schläft nur, wer weiß… die Interessen der alten Band waren dann doch ein bisschen sehr auseinandergedriftet mit der Zeit, und dazu hatten wir auch sowieso schon keinen Schlagzeuger mehr, und als ich mit diesem Album schließlich anfing, hatte ich nicht länger mehr das Gefühl, in einer Band zu spielen, sondern es waren halt eher Lieblingsmusiker, die ich mir zusammensuchte, um erstmal nur an diesem Projekt mit mir zu arbeiten. Und vielleicht entsteht daraus ja auch eines Tages wieder sowas wie eine Band, und die „Küche“ wacht wieder auf.

Im Moment hat sich aus dem Album ein Live-Trio kondensiert, nämlich Achim Färber, Karl Neukauf und icke. Die beiden ersteren waren sowieso die konstituierendsten Musiker auf dem Album (außer Alex Bayer, aber dazu gleich), und da ich mit Karl eh schon eine Art Ideal-Duo hatte, lag Achim als erste sehr vorsichtige Erweiterung auf der Hand, zumal er (obwohl von Phillip Boa & anderen eher krachigen Bands kommend) mit einer unglaublichen Intensität auch sehr leise spielen kann, in dieser Hinsicht geradezu ein Klangakrobat & dazu noch erfreulicherweise der scheinbar aussterbenden Rasse von Musikern mit einem hohen Berufsethos zugehörig.-
Der überaus praktische Clou an der ganzen Sache aber besteht darin, dass wir alle drei mitsamt all unserer Instrumente in einen Kombi passen. Das Zentrum dessen bildet eine 24“ Bassdrum mit einem bis zu 30 Hz runterreichenden Ton, die aber nur etwa ein Drittel der Tiefe (in Zentimetern) einer normalen Bassdrums hat und insofern nicht nur enorm platzsparend beim Transport ist, sondern wegen ihres geradezu irre tiefen Klangs auch zumindest teilweise den fehlenden Bass kompensiert. Womit wir wieder bei Alex wären: der hat einen so schönen Ton auf dem Album hinterlassen, dass wir selbstredend sowieso alle lieber mit ihm als ohne ihn spielen würden, aber es würde halt auch unser kompaktes Trio-Paket sofort 2 Kostenstufen höher katapultieren. Und ich hätte ein permanent schlechtes Gewissen, so guten Leuten nur so wenig bezahlen zu können. Und das Trio ist gerade an der Grenze. Also warten wir mal ab, wie das Album läuft, und nach den ersten paar Reaktionen kann ich´s ja jetzt vielleicht ruhig doch schon mal kurz sagen: ich glaub, es ist geradezu scheiße-gut geworden. – Und sollte sich das auch in Zuschauer- oder Verkaufszahlen widerspiegeln, würde sich auch sehr schnell die Besetzung wieder vergrößern. Aber bis dahin: alles schön „aus dem Keller“, wie oben erwähnter märchenhafter Kapitän das manchmal zu nennen pflegt. Und eines möchte ich noch gern hinzufügen: wir können als Trio zwar nicht annähernd das Album so fett reproduzieren, wie es nunmal klingt, aber das Kondensat oder die Essenz der Songs – weißgott – schon!

Und jetzt nochmal kurz zum Werbeblock, liebe Freunde & potentiell Interessierten: erscheinen wird Danny Dziuks Album „Wer auch immer, was auch immer, wo auch immer“ am

08.April

bei Buschfunk, und das Record Release-Konzert mit besagtem Trio steigt am

13.April im Schlot.

(Tusch und Vorhang)

P.S.: Und vorher spielen wir noch am

12.03. in Vegesack / Gewölbe / http://www.gewoelbe-vegesack.de/index.html
13.03. in Hamburg / Polittbüro / http://www.polittbuero.de
22.03. in Bremen / Lagerhaus / http://www.kulturzentrum-lagerhaus.de
23.03. in Bremerhaven / Pferdestall / http://www.pferdestall-bremerhaven.de/programm/
24.03. in Sandhatten / Alte Post / http://www.altepost-sandhatten.de
28.03. in Wangerooge / Kurhaus…

Das Schöne daran: wir werden das Album bereits schon VOR Erscheinungsdatum dabeihaben!

Ace of Spades

Lemmy Kilmister war der Typ, auf den sich selbst extreme Seiten positiv einigen konnten, von – sagen wir – aggressiven Punks bis hin zu poststrukturalistischen Superintellektuellen. Dass die Heavy Metal-Fraktion auch dabei war, konnte man in diesem Fall durchaus vernachlässigen, wenn man das wollte.

Spielte in meinem Leben exakt 3 Mal für ihn. Das erste Mal so gegen 2003: ich war gerade mitten im Stress mit einer Filmmusik, als Ulf Zick, mein damaliger Labelchef, mich anrief & fragte, ob ich „heute“ (!) Zeit hätte. Ich sagte: „Nee, eigentlich nicht, denn ich bin gerade mitten im Stress mit einer Filmmusik.“ Er sagte: „Lemmy Kilmister ist gerade in Berlin und braucht einen Piano-track für sein Solo-Album.“ Und ich daraufhin, nach einer kurzen Pause: „Geht´s auch heute nacht so gegen Eins?“ Ulf sprach kurz mit jemandem und sagte: „Ja, geht.“ – Lemmy himself, Hilfe!

Als ich spätnachts den kleinen Aufenthaltsraum zwischen Regie & dem ansonsten riesigen Kellergewölbe von Jimmy Vox` Studio in Schöneberg betrat, spielte Lemmy irgendein Video-Spiel, sah kurz hoch, murmelte eine Art knapper Begrüßung und spielte dann weiter. Ich beschloss sofort, ihn besser auch nicht weiter zu nerven, und unterhielt mich mit Ulf und seiner Freundin, so gut es ging. Einzwei weitere Leute waren auch noch da: zumindest einer davon aus Lemmys Band, denke ich. Ich sah nicht gerade aus wie ein Wackener, und vielleicht war deshalb die Kommunikation mit ihm nicht gerade überschwänglich. Keine Ahnung. Ich beschloss, dass das vielleicht auch egal war.

Lemmy erinnerte mich irgendwie an meinen alten australischen Rock´n Roll-Kumpel Johnny Driver, auch redete er ähnlich, als wir in den Regieraum gingen und uns die Nummer anhörten, zu der ich Piano spielen sollte. Da Johnny mich irgendwann akzeptiert hatte, war das die Art von Brücke (oder Krücke), an die ich mich hielt: keinen Scheiß erzählen, immer schön knapp und möglichst auf den Punkt. Und auf keinen Fall auch nur zu versuchen, sich irgendwie interessant zu machen. Lemmy fragte, ob ich einen bestimmten Pianisten kenne, der in den 50ern mal mit Elvis gespielt hatte, und ich sagte wahrheitsgemäß „sorry, no“. Dann spielte er mir auf seinem Walkman irgendwas von Little Richard vor, um zu verdeutlichen, welche Art von Rock´n Roll-Piano er meinte. Dann ging er wieder zu seinem Video-Spiel.

Jimmy Vox stellte mir schließlich so ein kleines Plastik-Keyboard dahin, per Midi mit einem Pianosound verbunden, den er für passend hielt. Hilfe. Dann ließ er die Nummer laufen, und ich spielte zum ersten Mal mit. Lemmy kam wieder rein, stellte sich neben mich, hörte eine zeitlang zu, und verließ den Regieraum wieder, bevor das Stück zuende war. Was in mir dabei vorgegangen war, lässt sich in etwa so beschreiben: zuerst völlige Nervosität, dann aber ziemlich schnell gefolgt von: was soll´s, spiel einfach, und wenn sie dir hinterher den Kopf abreißen, auch egal. Ab da überließ ich mich – Little Richard hin oder her – einfach komplett meinem Gefühl & spielte so, wie mir der Schnabel gewachsen war, ohne Zurückhaltung oder Respekt vor irgendwas. Ich mochte die Nummer, zu der ich spielte, eine Art sehr schnelle & harte Version von einem Blues. Erinnerte mich ein bisschen an ein Stück auf einer der Soloplatten von Ronnie Wood, in die ich mal eine zeitlang verliebt gewesen war. Und genauso spielte ich auch.

Als die Musik zuende war, ging auch Jimmy Vox raus , sagte, ich möge doch bitte kurz hier warten. Ein paar Minuten saß ich allein da in dem stillen Regieraum & rauchte ne Zigarette.

Dann kam Jimmy wieder rein und sagte: „Lemmy mag, wie du spielst.“ – Danach fegte ich auf meinem kleinen Plastik-Keyboard noch ein paarmal über das Stück, immer schön nach der mir-doch-scheißegal-Devise, und dann kam irgendwann Lemmy wieder rein & Jimmy sagte „Ich glaub, wir haben´s“. Im Kasten.

Lemmy führte mich hinterher noch ein bisschen durch das Studio, zeigte mir z.B. einen Raum mit einer Reihe von nebeneinanderstehenden Marshall-Verstärkern, yes, I understand. „I played with a Rock´n Roll Band, too“, sage ich. Lemmy ist zuvorkommend, freundlich und die Ruhe selbst: das ist es, was mir besonders auffällt. Keinen Speed in den Augen oder sowas, sondern nur einfach sehr klar, blau und ruhig. Dann fragte er, ob ich noch irgendeinen Wunsch habe.

„Yes.“
„What is it?“
„Could spell my name right on the album?“

Er lacht. Schließlich steckt er mir meine Gage zu: ein paar zusammengerollte Scheine von Hand zu Hand, fast so wie früher beim Dopedealer an der Strassenecke. Thank you, Sir. Er lacht.

Zweidrei Jahre später dann eine weitere Aufnahme unter ähnlichen Umständen, quasi für dasselbe Soloalbum. Konzept: Lemmy spielt mit verschiedenen Bands, die er mag, in allen Teilen der Welt Songs ein, die dann später irgendwie zusammengefasst werden sollen auf einem entsprechenden Album.

Dann hörte ich ein paar Jahre lang nichts mehr.

Zu der Zeit, als ich gerade Annett Louisan (mit dem Gegensatz sollen ein paar Leute erstmal klarkommen) kennenlernte – also wird es wahrscheinlich Anfang 2011 gewesen sein – ein erneuter Anruf von Jimmy: Lemmy habe in L.A. gerade einen Song mit Guns n´ Roses aufgenommen, bei der ihm aber der Part des Pianisten nicht so gut gefiel. Und dann der Hammer: ob nämlich „nicht dieser Typ aus Berlin das mal spielen könnte“? – Nun, das tat ich, nur war Lemmy dieses Mal nicht mehr dabei. „Und das hier soll ich dir von ihm geben“, sagte Jimmy hinterher.

Thank you, Sir.