Notizen…

Ein paar Notizen: die neue Ausgrabung heisst „Verliebt & Blind“, Text stammt von Bernie Conrads (mit ein paar kleinen Erweiterungen meinerseits), demomässig aufgenommen schätzungsweise 99, bisher nirgendwo erschienen. Gefällt mir momentan so gut, daß ich´s beinah für die nächste CD in Betracht ziehe. Soll ich (ich meine, das mal richtig aufnehmen)? Und wo wir gerade dabei sind: auf Bernies demnächst etwa Ende September erscheinender CD („Irgendwo dahinten“ betitelt) hab auch ich ein paar keyboards gschpuilt (bayrisch).

Das beste Chanson, das ich seit langem in deutscher Sprache gehört hab, stammt von Sebastian Krämer & heisst „Kein Liebeslied für dich“ (zu finden auf seinem Album „Schule der Leidenschaft“). Sowas ist mir bisher noch nicht untergekommen, da hatte jemand ne Sternstunde (oder auch ne Menge Arbeit), da stimmt alles, & da können sich z.B. unsere superintelligenten Diskurspopvertreter mal derartig eine Scheibe von abschneiden, daß es wehtut: ich versteh nicht, wieso der dafür nicht mit Preisen u.ä. überhäuft wurde. Aber so undankbar & seltsam ist eben vermouthlich (Prost!) die äh… Welt.

Dann noch was: Vor etwa 10 Jahren fand in der damals von Stoppok gemieteten & zum Studio umgebauten Zeche Bonifatius in Essen eine 10-tägige Begegnung der ziemlich anderen Art statt. 6 Musiker/innen trafen sich aus reiner Begeisterung (u.a. füreinander) zu einem kleinen
Experiment: was würde passieren, wenn´s keinen Chef, keine Songs & auch sonst keine Vorgaben gäbe? Was würde dabei für eine Musik herauskommen? Ausser der Regel, daß Keyboards jeglicher Art verboten waren, konnte jeder machen (oder vorschlagen), was er/sie wollte. Überall standen Gitarren, Verstärker, Trommeln & Mikros herum, wir hatten einen Koch & brauchten uns auch sonst um nichts zu kümmern als ab & zu mal auf den roten Knopf der 24-Spur-Bandmaschine zu drücken. Man konnte ansonsten in den herrlichen Hallen dieser alten Zeche herumhängen, Tischtennis spielen, dummes Zeugs erzählen oder auch sich in eine Ecke verziehen & Texte für Jamsessions schreiben, die man bereits aufgenommen hatte (oder irgendwie noch vorhatte auszuprobieren). Oder auch das ein oder andere Getränk zu sich nehmen, falls mal irgendwas hakte. Es entstand ziemlich schnell eine sehr freie, warmherzige & eigenartig inspirierte Athmosphäre, in der jeder der Beteiligten ganz wie von selbst zu absoluter Hochform aufzulaufen schien. Wunderbare 10 Tage waren das. Übrig blieben schliesslich 10
oder 11 Songs, die tatsächlich teilweise geradezu glücklichmachende Momente oder Passagen dieses schönen Kollektiv-Geistes hörbar machten, welcher daselbst in jenen 10 Tagen in diesen alten Gemäuern irgendwie unaufhörlich herumschwebte. Wir nannten das „Projekt“ im Nachhinein dann „Jumpin Jesus“, was übersetzt wahrscheinlich so etwas ähnliches heissen will wie „Himmel, Arsch & Wolkenbruch“.

Wie auch immer, jedenfalls wurde diese Musik – aus diversen (& mir teilweise auch schleierhaften – s.o.) Gründen – bisher nie irgendwo veröffentlicht. Was (Achtung: Tusch!!!) sich jetzt wiederum geändert hat: Es gibt die ersten 4 Songs davon nämlich jetzt zum freien Downloaden (oder auch nur Hören) unter www.myspace.com/jumpinjesusband. Weitere werden in Abständen folgen (und zwar so lange, bis das Schatzkästchen leer ist & keiner von uns auch nur einen Cent daran verdient äh… gut, was!?).

Neue Leute…

Wie teilweise vielleicht schon bemerkt, ist die rythm-section der Küche mittlerweile neu besetzt: Max Schwarzlose (dr) kommt sowieso aus meinem Lieblingsumfeld von Berliner Musikern & spielte u.a. ne zeitlang mit Chris Whitley (Iss was?). Thomas Baumgarte (b) hatte ich auch schon länger auf meinem Zettel (wusste er aber nicht) & durch eine Art glücklichen Zufall sagte jemand genau im richtigen Augenblick das Richtige (und zwar ziemlich exakt 2 Wochen vor der letzten Tour, tja… puhhh). Und den ersten wirklichen Test haben wir auf dem OBS #11 in Beverungen auch ziemlich gut bestanden, würde ich jetzt mal so sagen. Ausserdem würde ich darüberhinaus sogar jetzt mal so sagen, daß das ganze irgendwie kreuzverflixt kompakter geworden ist. Ja, ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, daß genau dieses Wort möglicherweise die treffendste Bezeichnung für den jetzt doch schon ziemlich veränderten Sound der Band ist. Schön, das. (Kulle zog´s eh in letzter Zeit mehr in Richtung Theatermusik & Schauspielerei, & vielleicht geht er demnächst für längere Zeit nach Ingolstadt; während die Sache mit Moe ein bißchen komplizierter ist, wenn nicht sogar Glatteis, & deshalb: Klappe halten. Immerhin scheint Hans noch halbwegs bei Laune, was ja durchaus auch keine Lappalie ist nach über 10 Jahren Geheimtippdasein). Hier & da jedenfalls erwisch ich mich jedenfalls dabei, geradezu diebisch froh zu sein ob der neuen Konstellation. Und wir haben gerade erst angefangen… (bzw. hier nicht zu vergessen: einen schönen Gruss an den ebenfalls sonnigen Südbalkon: Köpf & Georg Spindler sind vermutlich momentan in Südfrankreich (Neid!!!), & was der Herr Wolff wohl gerade macht? Jedenfalls: We´ll all have a drink later… also quasi „wir alle werden haben eine Tasse Tee die Tage“).
Ansonsten hab ich gerade ziemliche Zahnschmerzen, aber die nächtlichen Gewitter zur Zeit haben – wie zum Ausgleich – was absolut Herrliches.

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schnell was zum Schreiben

18.05.07

Da ich hier schon länger nicht mehr kolumnet habe, dachte ich, vielleicht wären (zum Ausgleich) mal wieder zwei weitere Stücke aus der Schublade nicht schlecht.
Das erste – beide übrigens Cassettenüberspielungen (Rauschen) – entstand etwa 92´ auf ner Stoppok-Tour. Brauchte dafür, daran kann ich mich erinnern, nur etwa 10 Minuten, für mich sensationell. So schnell hab ich jedenfalls nicht mal annähernd je wieder irgendwas fertiggebracht. Hatte zwar später nochmal versucht, daran herumzudoktern, aber es ging nicht. Komischerweise kann ich mich auch immer noch dran erinnern, wie das Hotelzimmer aussah, in das ich reinkam & schnell was zu Schreiben brauchte. Ausserdem war´s ein schöner Tag draussen. Jedenfalls hab ich diese Version hier dann etwa 5 Jahre später aufgenommen (eigentlich für „Vom Tisch“… flog dann aber aus irgendwelchen Gründen raus. Vielleicht ein bißchen zu düster. Vielleicht hab ich auch dieser absoluten Momentaufnahme misstraut. Dazu kommt, daß hier keineswegs klar ist, wer das Erzähler-Ich überhaupt ist … & sowieso & ausserdem: können hochkarätige Bluesdepressionen am Ende nicht auch manchmal ganz gesund sein? Sie können die Zeit spiegeln, einen Verlust, oder auch was anderes, das einen nicht eher von der Leine lässt, als bis man dem zumindest ne zeitlang eine gewisse Realität zugestanden hat. Oder Wörter dafür gefunden. Psychologen täten vielleicht sagen: besser “Trauerarbeit” als Schizophrenie. Auch Nick Cave & andere eher dunkel daherkommende Gestalten vertrauen auf nichts anderes als diesen Mechanismus. Soviel ich weiss bzw. soweit die Theorie, klar).
Das zweite war – Anfang 2000 – eine Auftragsarbeit für Gerd Köster im Rahmen einer Kölner Veranstaltung, bei der es um die Ausgleichszahlungen für NS-Zwangsarbeiter ging. Ich hatte exakt 2 Wochen Zeit dafür, & das hier ist das Demo, das ich ihm dann schliesslich schickte: „Zeit in Flammen“. Gerd änderte den Refrain ein bißchen (& es hiess schliesslich „Blitzblanker Hohn“. Und in der Version spielten wir es dann auch noch einmal bei der Verleihung des Demokratiepreises der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ an Lothar Evers – näheres nachzulesen am Ende der Kolumne vom Juni 2000).
Mittlerweile sind besagte Ausgleichszahlungen – mehr oder weniger kläglich – auch zu einer Art Abschluss gebracht worden, während altbekannte ExNazis in der Regel hier schon immer & völlig problemlos & mit fetten staatlichen Pensionen einer milden & vergesslichen Abendsonne entgegensehen konnten… letzteres jedenfalls mit ein Grund, warum es hier mal Dinge wie die RAF gab (falls das jemand vergessen hat). Wohin mit dieser berechtigten Wut? Daß die RAF perverserweise auch den Grundton (zumindest mit-) vorgab für einen leider teilweise bis heute latenten (& wortreich als Antizionismus verkleideten) Antisemitismus (oder auch sehr gutmütig ausgedrückt: unverhältnismässig idiotische Begriffsstutzigkeit bei allem, was Israel & Palästina betrifft) der deutschen (Ex-)Linken, gehört dabei selbstverständlich mit in diesen Zusammenhang (danke für die diesbezügliche mail, D.S.). Und Entschuldigung für all diese Klammern hier (aber immerhin hab ich auch das jetzt hinter mir).
Jedenfalls bin ich froh, daß mir früh genug Dylan oder Miles Davis über den Weg liefen. “Bitches Brew” von 69´ beispielsweise: was für ein Feuerwerk! Und etwas später dann Henry Millers Griechenlandbuch oder Dostojewskis “Idiot” (ich will hier auch nicht weiter herumandréhellern, versprochen, sondern nur gerade eben genügend, um die Richtung anzudeuten, in die sich mein Kopf etwa Mitte der Siebziger davonmachte. “Eskapismus” nannte man das damals… gar nicht davon zu reden, in welche noch viel “unpolitischeren” Regionen sich diese Helden der Arbeit dann teilweise – und gar nicht so sehr viel später – selber davonstahlen. Verstärkt für mich jedenfalls eindeutig die Frage, ob das sog. Politische nicht sowieso & per se & selber schon immer eine Art Eskapismus war. Wovor? Vor der halbwegs ehrlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Verstehen Sie, Mijnheer?). Das war alles noch vor Punk. Und von da ab war die Sache dann endgültig für mich entschieden. Ein paar andere hatten vielleicht weniger Glück. Und noch ein paar andere… ach, ein andermal, sonst wird die Nacht hier womöglich wieder zu lang. Und ich muss schliesslich auch meine gegenwärtige Filmmusik noch zuendekriegen („Mein Gott, ist der mal wieder mit wichtigen Sachen beschäftigt, dieser Angeberarsch!“). Ausserdem bewundere ich seit einiger Zeit einen deutschen Schauspieler ganz besonders: Alexander Scheer (das ist gerade „mein“ zweiter Film mit ihm, & ich hoffe, sie werden den ersten demnächst mal endlich in der Glotze zeigen: er heisst „Brennendes Herz“, geht über Neonazis & Scheer ist schlicht grossartig). Der soll jedenfalls bittebitte so weiter machen, dem sollen alle seine Sterne aufgehen.
Denn z.B. Harald Schmidt (Katholik) sinkt demnächst Richtung Oliver Pocher (Zeuge Jehovas, ex). Sie kennen sich aus der Werbung für Mediamarkt. Und in diesem Fall bin ich (dagegen dann) selbstverständlich nur ein ziemlich kalter Beobachter. Wenn so jedenfalls die weltlichen Aktivitäten eines in diesem gerade neu angebrochenen global-multimedial-digitalen (usw.) Zeitalter sich ebenfalls neu orientieren müssenden Christentums aussehen, dann äh…. ja, gute Nacht, Trompeter: Ein neues Jerusalem wird das jedenfalls nicht. – So, ab ins Bett.